Corona und der Beckenboden

Es gibt viele Erkrankungen, die die Blasenfunktion beeinträchtigen und damit zu Blasenschwäche und ungewolltem Urinverlust führen können. Relativ neu auf dieser Liste ist das Coronavirus COVID-19. Häufige Symptome einer Coronaerkrankung sind hartnäckiger Husten, Kurzatmigkeit und Atembeschwerden. Aber was hat das mit Ihrem Beckenboden zu tun?

Wenn Sie schon einmal hartnäckigen Husten hatten, haben Sie bestimmt eine Ahnung. Husten und Erkältungen können zu versehentlichem Urinverlust führen und eine lange Covid-Erkrankung kann alle verzweifeln lassen.

Aber keine Sorge. Sie können selber einiges tun. Sehen wir uns zunächst an, was beim Husten passiert.

Was beim Husten im Körper passiert

  1. Husten beginnt gewöhnlich mit schnellem Luftholen. Das Zwerchfell und die Muskeln zwischen den Rippen ziehen sich zusammen, um Luft in die Lunge zu ziehen.
  2. Das körpereigene „Ventil“, das den Luftstrom in und aus der Lunge kontrolliert, schließt sich.
  3. Danach ziehen sich die Bauchmuskeln und andere Atemmuskeln zusammen, während sich das Zwerchfell entspannt. Das führt zu einer Erhöhung des Luftdrucks in der Lunge, aber auch in der Bauchhöhle.
  4. Zuletzt öffnet sich das Ventil und die Luft tritt mit etwa 160 km/h aus der Lunge aus.

Das Zwerchfell, die Rippenmuskeln und die Bauchmuskeln übernehmen den Großteil der Arbeit. (A LoMauro und A Aliverti, 2019)

Sehen wir uns jetzt an, welche Rolle der Beckenboden beim Husten oder Niesen spielt.

Ein Zylinder unter Druck

Die Bauchhöhle ist ein unter Druck stehender Zylinder mit einem Boden, dem Beckenboden, einer Decke, dem Zwerchfell und Wänden, den Bauch- und Rückenmuskeln. Alle Muskeln sind fein aufeinander abgestimmt, um den Körper im Gleichgewicht zu halten.

Der Druck in der Bauchhöhle wird durch alltägliche Handlungen wie Schieben, Ziehen, Aufstehen aus dem Sitzen, Lachen und Husten erhöht. (Yamasato at al. 2014)

Der Beckenboden

Wenn der Druck im Bauchraum steigt, zieht sich der Beckenboden zusammen. Das ist ein Reflex, um die Auswirkungen von Druckveränderungen in der Bauchhöhle auszugleichen, die etwa beim Husten, Niesen oder Heben schwerer Gegenstände entstehen.

Erstaunlicherweise kann die Beckenbodenmuskulatur schon in Erwartung einer Druckänderung reagieren. Dieses Phänomen ist als schneller Feed-Forward-Loop oder Prä-Kontraktion bekannt.

Es gibt Fälle, in denen dieser Reflex des Beckenbodens nur unzureichend funktioniert oder gänzlich ausbleibt. Das kann zu Urinverlust führen, wenn der Druck im Bauchraum plötzlich oder unerwartet steigt.

Studien von Berghmans und Seleme (2020) lassen vermuten, dass die Bedeutung des Feed-Forward-Loops oder der Prä-Kontraktion des Beckenbodens bisher deutlich unterschätzt wurde. Dieser Reflex ist jedoch ein wichtiger Faktor, den wir beim Training der Beckenbodenmuskulatur berücksichtigen müssen.

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„Der Kniff“

Aus der Forschung ist bekannt, dass wir dem Beckenboden helfen können, Druckveränderungen standzuhalten: Kontrahieren Sie den Beckenboden kräftig und aktiv, bevor Sie bewusst husten oder etwas Schweres heben. Diese frühzeitige, schnelle und starke Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur wurde von Miller et al. (1998) als „The Knack“ (engl. „der Kniff“) bezeichnet.

Dieser Kniff kann uns helfen, den Urin zu halten, wenn wir merken, dass wir gleich husten oder niesen werden. Er ist aber auch wirksam, wenn wir ihn während eines Hustenanfalls anwenden, d. h. wenn wir mehrmals schnell hintereinander husten müssen.

Es ist wichtig, den Beckenboden zur richtigen Zeit auf die richtige Art anzuspannen. Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob sie die richtigen Muskeln anspannen, lesen Sie meine früheren Artikel Ich stelle vor: Ihr Beckenboden und Ein starker Beckenboden, warum die Mühe?. Sie finden hier alles, was Sie wissen müssen.

Üben Sie den Kniff

Lassen Sie uns jetzt gemeinsam den Kniff üben.

Wenn Sie „den Kniff“ nach Bedarf anwenden können, kann das Stress erheblich mindern, den Sie durch Husten, Erkältungen oder sogar eine unglückliche Begegnung mit COVID-19 erleiden. Sie können diese Technik zusätzlich zum täglichen Beckenbodentraining anwenden, um Inkontinenz vorzubeugen und Urinverluste zu vermeiden.

Es ist wichtig, sich immer dann professionelle Hilfe zu holen, wenn etwas unsere Lebensqualität beeinträchtigt. Je früher Sie Hilfe in Anspruch nehmen, desto größer sind die Chancen auf eine nachhaltige Verbesserung und desto wahrscheinlicher können Sie eine Symptomverschlechterung verhindern.

Zusammenfassung

Ich hoffe, Sie wissen jetzt ein wenig besser, was Sie für Ihre Beckengesundheit tun können. Handeln Sie lieber früher als später, um Ihre Symptome jetzt zu verbessern und eine Verschlimmerung zu verhindern. Holen Sie sich immer professionelle Hilfe, wenn Ihre Symptome Ihre Lebensqualität beeinträchtigen und/oder Sie sie alleine nicht verbessern können.


Hallo, mein Name ist Phillipa Butler. Ich bin eine diplomierte Physiotherapeutin und zertifizierte Pilates- und Yogalehrerin.
Meine Lebensphilosophie lautet: Vorbeugen ist besser als Behandeln. Ich glaube, dass ein regelmäßiges, angemessenes Bewegungsprogramm der Schlüssel zu einer langfristig besseren Gesundheit ist. Auch Blasenschwäche bildet da keine Ausnahme. Dennoch ist das Thema etwas schwieriger.
Ich hoffe, dieser Blog bietet Ihnen hilfreiche Informationen und Ratschläge, mit denen Sie Ihre Gesundheit selbst in die Hand nehmen können.

Quellen

Bary Berghmans, Maura Seleme. The ‘5 F’s Concept for Pelvic Floor Muscle Training: From Finding the Pelvic Floor to Functional Use. Journal of Women’s Health and Development 3 (2020): 131-134.

Miller JM, Ashton-Miller JA, DeLancey JO. A pelvic muscle precontraction can reduce cough-related urine loss in selected women with mild SUI. J Am Geriatr Soc. 1998 Jul;46(7):870-4. doi: 10.1111/j.1532-5415.1998.tb02721.x. PMID: 9670874.

Antonella LoMauro, Andrea Aliverti, Respiratory muscle activation and action during voluntary cough in healthy humans, Journal of Electromyography and Kinesiology,

Volume 49, 2019, 102359, ISSN 1050-6411,

https://doi.org/10.1016/j.jelekin.2019.102359.

De Keulenaer BL, De Waele JJ, Powell B, Malbrain ML. What is normal intra-abdominal pressure and how is it affected by positioning, body mass and positive end-expiratory pressure? Intensive Care Med. 2009 Jun;35(6):969-76. doi: 10.1007/s00134-009-1445-0. Epub 2009 Feb 26. PMID: 19242675.

Yamasato KS, Oyama IA, Kaneshiro B. Intraabdominal pressure with pelvic floor dysfunction: do postoperative restrictions make sense? J Reprod Med. 2014 Jul-Aug;59(7-8):409-13. PMID: 25098032.

Bibliography

Addington WR, Stephens RE, Phelipa MM, Widdicombe JG, Ockey RR. Intra-abdominal pressures during voluntary and reflex cough. Cough. 2008 Apr 30;4:2. doi: 10.1186/1745-9974-4-2. PMID: 18447952; PMCID: PMC2427048.